Die gesetzlichen Grundlagen, die die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in Österreich regeln, sind hauptsächlich im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verankert. Hier sind einige relevante Bestimmungen:
- Allgemeine Fürsorgepflicht zur Gefahrenverhütung: Gemäß § 2 (Absatz 7) ASchG versteht man unter Gefahrenverhütung „sämtliche Regelungen und Maßnahmen, die zur Vermeidung oder Verringerung arbeitsbedingter Gefahren vorgesehen sind. Unter Gefahren sind arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen zu verstehen, die zu Fehlbeanspruchungen führen.“
- Gefährdungsbeurteilung: Nach § 4 ASchG (Absatz 1) sind Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um potenzielle Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu identifizieren. Dies muss auch psychische Belastungen einbeziehen, also die Bewertung der Art der Tätigkeiten, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe sowie der Arbeitsorganisation beinhalten und den Stand der Ausbildung der Arbeitnehmer berücksichtigen.
- Schutzmaßnahmen: Auf Grundlage der Evaluierung psychischer Belastungen sind Arbeitgeber gemäß §4 ASchG (Absatz 3) dazu verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um die Risiken zu minimieren. Dies kann beispielsweise durch Maßnahmen erfolgen, die verhältnisorientiert wirken (etwa organisatorische Änderungen), oder aber durch verhaltensorientierte Maßnahmen erfolgen, wie beispielsweise Schulungen oder Employee Assistant Unterstützungsangebote (EAPs). Allerdings muss hier § 7 ASchG beachtet werden, in dem betont wird, dass die Gefahrenbekämpfung an der Quelle zu erfolgen hat und dass kollektiver Gefahrenschutz Vorrang vor individuellem Gefahrenschutz hat. Verhältnisorientierte Maßnahmen sind also verhaltensorientierten – wenn möglich – immer vorzuziehen. Diesem Thema und seiner Veranschaulichung durch das „STOP-Prinzip“ werden wir demnächst einen Blog-Artikel widmen.
- Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente: Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen gemäß § 5 ASchG in einer der Anzahl der Beschäftigten und den Gefahren entsprechenden Weise schriftlich dokumentiert werden. Diese Dokumentation dient als Nachweis für die getroffenen Maßnahmen und deren Wirksamkeit. Soweit dies aus Gründen der Gefahrenverhütung erforderlich ist, ist diese Dokumentation arbeitsplatzbezogen vorzunehmen.
- Wirksamkeitskontrolle: Die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist auch „…erforderlichenfalls zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.“ Ebenso sind die festgelegten Maßnahmen „…auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen…“ (§ 4/4 ASchG). Eine der häufigsten an uns gerichteten Fragen in Bezug auf die Evaluierung ist, ob der Gesetzgeber Intervalle für die Wirksamkeitsüberprüfung und allfällige Anpassung der Maßnahmen (also den folgenden Evaluierungszyklus) nennt. Die klare Antwort ist, dass er das nicht tut. Was unter „erforderlichenfalls“ zu verstehen ist, wird jedoch in § 4/5 ASchG konkretisiert. Jedenfalls erforderlich wird sie demnach etwa nach Unfällen oder (mutmaßlich) arbeitsbedingten Erkrankungen, nach Zwischenfällen mit erhöhter arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchung, bei Einführung neuer Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe oder Arbeitsverfahren, neuen Erkenntnissen (bzw. dem „Stand der Technik“) auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung und natürlich auf Verlangen des Arbeitsinspektorates.
- Fachleute: Bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und der Festlegung der Maßnahmen sind laut §4 ASchG (Absatz 6) erforderlichenfalls geeignete Fachleute heranzuziehen. Mit der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren können „insbesondere“ Arbeitspsychologen beauftragt werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese gesetzlichen Grundlagen als Rahmenwerk gedacht sind und es keine spezifischen gesetzlichen Vorgaben gibt, wie der konkrete Prozess der Evaluierung aussehen muss. Jedes Unternehmen ist unterschiedlich und dieser individuellen Komponente trägt das Gesetz auch Rechnung.
Es wurden allerdings auf der Ebene der Normen mit der ÖNORM EN ISO 10075 (1-3) bindende Regeln entwickelt und definiert, welche Methoden (in welchem Prozessstadium) angewendet werden müssen.
Grundsätzlich liegt die Umsetzung des Evaluierungsprozesses in der Verantwortung der Arbeitgeber (§ 3 Absatz 1 ASchG). Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sowie einschlägige Expert*innen wie das Institut zur Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz (IEPB) unterstützen hier gerne.