Mitte Juni 2017 wurde im österreichischen Nationalrat ein Gesetz mit dem nicht sehr eingängigen Namen ArbeitnehmerInnenschutz-Deregulierungsgesetz eingebracht. Das trotz des sperrigen Namens absolut begrüßenswerte Ziel ist, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), das Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG 1993), das Arbeitszeitgesetz (AZG), das Arbeitsruhegesetz (ARG) und das Mutterschutzgesetz (MSchG 1979) zu entbürokratisieren, ohne die Schutzstandards zu mindern.
Auch die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sowie die Arbeiterkammer (AK) haben den Gesetzesentwurf in seiner Gesamtheit als „tragfähigen Kompromiss“ bezeichnet. Es lohnt sich jedoch, deren (uns vorliegende) Stellungnahmen im Detail zu betrachten. So wird neben den Vereinfachungen im Sinne der Unternehmen sehr wohl auch – vor allem in Anbetracht der sich rasant ändernden Arbeitswelt – dringend eine Modernisierung insbesondere des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes eingemahnt. Die Digitalisierung und Automatisierung in unzähligen Bereichen der Wirtschaft führt zu einer gewaltigen und extrem raschen Verschiebung der Beanspruchung der Beschäftigten weg von körperlichen und hin zu stark steigenden psychischen Belastungen. So weist die AK in ihrer Stellungnahme unter anderem darauf hin, dass sich die Anzahl der von Stress, Depression und Angstzuständen Betroffenen in nur sechs Jahren (2007 bis 2013) verdoppelt (!) hat. Es ist also nicht erstaunlich, dass von den in ihren Stellungnahmen geforderten Anpassungen des ASchG sowohl beim ÖGB als auch bei der AK diese eine Forderung an erster Stelle steht:
dass Arbeits- und Organisationspsychologlnnen als dritte Präventivfachkraft gleichberechtigt zu Arbeitsmedizinerinnen und Sicherheitsfachkräften im ASchG zu verankern seien.
Vereinfacht gesagt: So wie die Experten für körperliche Gesundheit (Ärzte) und Arbeitsplatzsicherheit (Sicherheitsfachkräfte) gefordert sind, die körperliche Gesundheit der Beschäftigten sowie die Beeinträchtigungsfreiheit von Arbeitsplätzen zu sichern, so sollten sich um die ebenso wichtige Materie der psychischen Beanspruchung am Arbeitsplatz ebenfalls die betreffenden Experten – Arbeitspsychologen – kümmern, und nicht irgendwer. Dies umso mehr, als es eben in Anbetracht der Anforderungen einer sich rasch ändernden Arbeitswelt nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Mehrzahl der Krankenstandstage, Frühpensionierungen etc. auf psychische Belastungen zurückzuführen sein wird. Schon jetzt erfolgen fast 30 % aller Neuzugänge der Pensionierungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen und Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen verursachen gesamtwirtschaftliche Kosten von etwa 3,3 Mrd Euro jährlich.
Zu hoffen ist, dass diese – wirklich wichtige – Novelle des ASchG ebenso zügig in Angriff genommen wird wie heuer das ArbeitnehmerInnenschutz-Deregulierungsgesetz. Jedes weitere Jahr des vergeblichen Wartens auf diese längst fällige Reform verursacht konkreten und erheblichen Schaden für Österreichs Beschäftigte, Unternehmen und nicht zuletzt den Staat selbst.
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