Stichwort Evaluierung: Warum sind eigentlich Arbeitspsychologen die Experten?
Geht es um die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz, werden zumeist Arbeitspsychologen als Experten genannt. Die IEPB GmbH etwa setzt für ihre Evaluierungsprojekte nur Arbeitspsychologen ein. Wir wollen heute diese einfache Frage beantworten: Warum sind eigentlich Arbeitspsychologen die Experten?
Die schnelle und simple Antwort ist natürlich die: Laut ASchG-Gesetzestext sollten bei der Arbeitsplatzevaluierung Arbeitspsychologen als externe Fachkräfte – insbesondere zur Beurteilung der psychosozialen Risiken – herangezogen werden. Obwohl Kann- und nicht Muss-Bestimmung, ist natürlich davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber etwas dabei gedacht hat, explizit Arbeitspsychologen zu nennen und nicht etwa Unternehmensberater oder Juristen.
So einfach wollen wir es uns aber nicht machen. Vielmehr wollen wir in unserer ausführlichen Antwort begründen, was man als Experte wissen muss, um ein Evaluierungsprojekt leiten zu können, und warum Arbeitspsychologen aufgrund ihrer Ausbildung exakt dafür am besten geeignet sind.
Erstens: der Umgang mit Menschen
In einem Evaluierungsprojekt ist es wichtig, in Gesprächen mit Menschen – nämlich den Mitarbeitern eines Unternehmens – Belastungen zu konkretisieren und im Falle von Fehlbelastungen gemeinsam mit der Belegschaft Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Eine Alternative zu Gesprächen gibt es nicht. Wer also keine Kompetenzen im Umgang mit Menschen mitbringt, wird schnell auf verlorenem Posten stehen. Die empirische Wissenschaft „Psychologie“ beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten des Menschen. Analog dazu beschäftigt sich die Arbeitspsychologie mit dem Erleben und Verhalten des Menschen im Arbeitskontext. Anders als Berater anderer Professionen verfügen Arbeitspsychologen also über ein ganzes Studium an theoretischem Wissen, wie man am besten mit Menschen arbeitet.
Zweitens: die einzusetzenden Verfahren
Um psychosoziale Risiken gesetzeskonform erheben zu können, genügt es natürlich nicht, nur reden zu können und Gespräche zu führen. Diese Gespräche müssen innerhalb eines engen Korsetts – man spricht hier von strukturierter Gesprächsführung – stattfinden und sind Teil von wissenschaftlichen Messverfahren. Gute psychologische Messverfahren werden meist auf Universitäten oder in Kompetenzzentren aufwendig, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Normen, entwickelt! Die drei wichtigsten will ich hier kurz erwähnen.
Es muss zum Beispiel gewährleistet sein, dass das Ergebnis unabhängig von der Person, die das Verfahren leitet bzw. die Gespräche führt, immer dasselbe ist. Man nennt diese Norm oder auch dieses Gütekriterium „Objektivität“. Genauso wichtig ist natürlich, dass das Verfahren auch wirklich das misst, was den Anwender und das Unternehmen interessiert – in unserem Fall also die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Und, dass es keinen Unterschied macht ob ich heute messe oder zum Beispiel übermorgen. Diese Gütekriterien nennt man „Gültigkeit“ (Validität) und „Zuverlässigkeit“ (Reliabilität).
Psychologische Messverfahren gibt es viele. Um zu entscheiden, welches Messverfahren in einer speziellen Situation oder in einem bestimmten Unternehmen eingesetzt werden soll, muss man natürlich über diese wissenschaftlichen Normen Bescheid wissen und diese auch „lesen“ und interpretieren können. Schließlich sollen auch wirklich psychische Arbeitsbelastungen gemessen werden und nicht Intelligenz, Eignung oder Interessenslagen.
Dieses testtheoretische Wissen bei Testverfahren zur Messung psychischer Arbeitsbelastungen ist arbeitspsychologische Kernkompetenz, die weder Unternehmensberater mit wirtschaftlicher Ausbildung noch Mediziner oder Juristen mitbringen.
Drittens: spezifisches Wissen in den Bereichen Gesundheit und Arbeitsrecht
Arbeitspsychologe darf sich nicht jeder nennen. Um in Österreich Arbeitspsychologe zu sein, muss nach dem akademischen Studium eine postgraduelle Ausbildung mit weiteren 90 Theoriestunden und 1600 arbeitspsychologischen Praxisstunden absolviert werden (Stand 1.1.2016). Erst dann kann man die Zertifizierung zum Arbeitspsychologen beantragen. Besonderer Schwerpunkt dieser Ausbildung: Arbeitsrechtliches Spezialwissen und anwendungsbezogene Methoden, etwa aus dem Gesundheitsbereich. Diese umfangreiche Ausbildung ist – verglichen mit anderen Professionen – einzigartig und stellt sicher, dass alle Arbeitspsychologen den speziellen Anforderungen des Tätigkeitsfelds gewachsen sind und sie ihren Job höchst professionell ausüben können.
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